Halbzeit im Börsenjahr: Stabilität und Chancen trotz Herausforderungen

„Investieren wird oft als der Prozess beschrieben, bei dem man jetzt Geld anlegt, in der Erwartung, in der Zukunft mehr Geld zu erhalten. Bei Berkshire verfolgen wir einen anspruchsvolleren Ansatz, indem wir Investitionen als die Übertragung von Kaufkraft an andere mit der begründeten Erwartung definieren, in der Zukunft mehr Kaufkraft – nach Zahlung von Steuern auf nominale Gewinne – zu erhalten.“1

Mit diesen Worten leitete Warren Buffett in seinem 2011er-Aktionärsbrief in ein Themengebiet ein, das sowohl für Berkshire-Aktionäre als auch für Außenstehende von großer Bedeutung ist und in dem sich Laien wie Experten oftmals uneins sind. Denn während sich eine große Zahl von „Investoren“ mit der nominellen Werterhaltungshypothese einverstanden erklären und zudem jeder negativen Abweichung von der Nulllinie kritisch gegenüberstehen, geht Buffett mit seinen Überlegungen einen Schritt weiter. Gemäß seiner — und unserer — Lesart sollte das Risiko einer Investition daran gemessen werden, ob sie dem Investor über die Haltedauer einen Kaufkraftverlust beschert. Vermögenswerte könnten folglich im Preis stark schwanken und wären dennoch nicht riskant, solange sie mit hinreichender Sicherheit einen Kaufkraftzuwachs während der Haltedauer erwarten lassen. Umgekehrt könnte auch ein im Preis nicht schwankender Vermögenswert mit hohen Risiken behaftet sein.

Um das Ziel des realen Kapital- und damit Kaufkrafterhalts zu erreichen, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Auf drei von ihnen wollen wir nachfolgend eingehen und dabei schauen, wie sie ihren „Job“ in den zurückliegenden Jahren, seit Veröffentlichung des Berkshire-Aktionärsbriefs Anfang 2012, erledigt haben.

Bei Geldwerten handelt es sich um Vermögenswerte, die auf einen festen Nominalwert in einer bestimmten Währung lauten und deren Rückzahlungsanspruch sich auch auf eben diesen Wert bezieht. Zu dieser Art von Anlagen zählen bspw. Bankeinlagen, Hypotheken oder Anleihen. Gemeinhin gelten die meisten dieser währungsbasierten Anlagen als „sicher“.

Doch in Wahrheit gehören sie zu den gefährlichsten Anlagen überhaupt.

Grund hierfür ist, dass der ultimative „Preis des Geldes“ letztlich durch Regierungen und deren Vertreter bestimmt wird. Und deren Handeln führt oftmals zu einer Politik, die in einem erheblichen Maß in sichtbarer wie unsichtbarer Kaufkraftminderung resultiert.

Beispielhaft sei auf die Grafik der zweiten Seite verwiesen, aus der sich Folgendes ablesen lässt:2

  1. Von Januar 2012 bis Mai 2024 lag die durchschnittliche Verzinsung auf Tagesgeldkonten (blaue Balken, linke Skala) zwischen 0,1% (2021) und 1,7% (2012). Über die gesamte Laufzeit betrachtet, konnte mit Hilfe dieser Anlageform ein nomineller Wertzuwachs von 7,1% vor Steuern (blaue Linie, rechte Skala) bzw. 5,2% nach Steuern erzielt werden. Die Differenz von 1,9% kann somit als sichtbare Kaufkraftminderung bezeichnet werden.
  1. Als eine mögliche Alternative zu Tagesgeldanlagen können deutsche Bundesanleihen gelten. Deren Rendite hätte, im Falle von 5-Jahrespapieren, zwischen -0,7% (2020) und 2,4% (2023) gelegen (grüne Balken, linke Skala) und so insgesamt zu einem nominellen Wertzuwachs von 3,3% vor Steuern (grüne Linie, rechte Skala) bzw. 2,4% nach Steuern geführt. Die Kaufkraft wäre folglich in Höhe von 0,9% sichtbar gemindert worden.

Mit beiden Anlageformen wäre es folglich möglich gewesen, das Kapital nominal in seinem Wert zu erhalten und sogar einen bescheidenen Wertzuwachs zu erzielen. Sichtbare Kaufkraftverluste wären zudem in nur geringem Maße (0,9% bzw. 1,9%) zu beklagen gewesen. Doch ist das nur ein Teil der Wahrheit.

Der andere, weit wichtigere Teil wird im allgemeinen Sprachgebrauch als Inflation (orangefarbene Balken, linke Skala) bezeichnet. Hierunter versteht der Volksmund einen Anstieg des allgemeinen Preisniveaus, welcher nicht auf Mengen- oder Qualitätsveränderungen der Güter und Dienstleistungen zurückzuführen ist. Und dieser „unsichtbare“ Teil an kaufkraftmindernden Effekten ist zumeist weit größer als der sichtbare, steuerindizierte Teil. Um ihm wirksam zu begegnen, hätte es im vorliegenden Beispiel eines Nettovermögenszuwaches von mehr als 30% (orangefarbene Linie, rechte Skala) oder, unter Berücksichtigung steuerlicher Wechselwirkungen, eines Bruttozuwachses von mehr als 40% bedurft. Damit nicht genug gilt es zu bedenken, dass jedem Versprechen auf „Mehr“ (bspw. in Form von Zinsen) im Segment der Geldwerte immer ein Schuldverhältnis zugrunde liegen muss, welchem die Erwartung und Hoffnung innewohnt, dass der Schuldner seinen Verpflichtungen auch nachkommt. Folglich gilt bei Geldwertanlagen mehr als bei jeder anderen Anlageform das Eisbergprinzip, wonach ein Großteil der Gefahr im Verborgenen liegt.

Das Ziel des realen Kapitalerhalts allein mit Hilfe von Geldwertanlagen zu erreichen, war folglich in den Jahren nach 2011 unmöglich bzw. zwingend an die Bereitschaft zur (erheblicher) Risikonahme gebunden. Wer das nicht wollte oder konnte, musste andere Wege gehen. Als ein solcher wird vielfach der Erwerb unproduktiver Sachwerte verstanden. Hierunter subsumiert werden Vermögenswerte, die niemals etwas produzieren, jedoch in der Hoffnung gekauft werden, dass jemand anderes in Zukunft bereit ist, mehr dafür zu bezahlen.

Der wichtigste Vertreter dieser Kategorie ist Gold, welches zwar einen gewissen industriellen und dekorativen Nutzen hat, am Ende jedoch unproduktiv ist und folglich selbst nichts von Wert hervorbringen kann. Wer an dieser Aussage zweifelt, dem sei empfohlen, ein wenig Gold, bspw. in Form einer Unze „Krügerrand“, in eine Schatulle zu tun und diese für eine beliebige Zeitspanne zu verschließen. Auf diese Weise unberührt, wird sich auch nach einem, zehn oder hundert Jahren nicht mehr als eine Unze Gold in der Schatulle befinden. Dass die weltweit verfügbare Goldmenge von Anfang 2012 bis heute dennoch angestiegen ist und sich der Gesamtwert dieser Goldmenge — ausgedrückt in US-Dollar — um über 65% auf nunmehr fast 16 Billionen erhöht hat, liegt auch nicht an Produktivitätszuwächsen, sondern ist jeweils zur Hälfte in der Förder-Tätigkeit der weltweiten Goldminenindustrie sowie Preisänderungen des Edelmetalls begründet. Letztgenannte haben es dem US-amerikanischen Goldkäufer nahezu ermöglicht, sein zu Beginn des Jahres 2012 in diese Anlageform investiertes Kapital real im Wert zu erhalten (siehe nachfolgende Grafik und hier vor allem den Punkt, an dem sich die goldene Linie der braunen bis auf Haaresbreite angenähert hat). Ein letztlich erfreuliches Ergebnis, welches — mit Blick auf die vergangenen Jahre – eher als Ausnahme- denn als Regelfall verstanden werden kann und das vor allem der erfreulichen Preisentwicklung der letzten Monate zu verdanken ist. Gleiches gilt auch für EUR-Anleger (nachfolgend grüne Linie), die zwar bereits rund vier Jahre vor US-Dollar-Anlegern in den Genuss des realen Kapitalerhalts mittels Gold gekommen waren, dies jedoch wesentlich dem schwachen Euro — und somit einer (un)bewussten Währungsspekulation — zu verdanken haben:3

Es war und ist folglich möglich, das eigene Kapital mittels Investition in unproduktives Sachvermögen real in seinem Wert zu erhalten. Doch sollten sich Anleger des Weges bewusst sein, den erfolgreich zu gehen oftmals einen langen Atem (von einigen Jahren oder gar Jahrzehnten) sowie das richtige Maß an emotionaler Stabilität braucht, um auch Phasen ausgeprägter Volatilität unbeschadet zu überstehen.

Ungeachtet der theoretischen Möglichkeit, das Eigenkapital mittels Investition in unproduktive Sachwerte im Werte zu erhalten, hält Buffett selbst wenig davon, diesen Weg zu beschreiten und begründete dies in seinem Aktionärsbrief mit dem folgenden, sehr lesenswerten Beispiel:4

„Heute beläuft sich der Weltgoldbestand auf etwa 170.000 metrische Tonnen. Bei einem Goldpreis von 1.750 Dollar pro Unze – dem Preis, zu dem ich diese Zeilen schreibe – würde sein Wert 9,6 Billionen Dollar betragen. Nennen wir diesen Würfel Stapel A. Legen wir nun einen Stapel B an, der den gleichen Betrag kostet. Dafür könnten wir das gesamte Ackerland der USA kaufen (400 Millionen Hektar mit einem jährlichen Ertrag von etwa 200 Milliarden Dollar) sowie 16 Exxon Mobils (das profitabelste Unternehmen der Welt, das jährlich mehr als 40 Milliarden Dollar einnimmt). Nach diesen Käufen bliebe uns etwa 1 Billion Dollar übrig, die wir als Umlaufvermögen nutzen könnten. Können Sie sich vorstellen, dass ein Investor, der über 9,6 Billionen Dollar verfügt, Stapel A dem Stapel B vorzieht?
In einem Jahrhundert werden die 400 Millionen Hektar Ackerland gewaltige Mengen an Mais, Weizen, Baumwolle und anderen Feldfrüchten hervorgebracht haben – und sie werden auch weiterhin diese wertvollen Früchte hervorbringen, ganz gleich, wie die Währung aussieht. Exxon Mobil wird wahrscheinlich Billionen von Dollar in Form von Dividenden an seine Eigentümer ausgeschüttet haben und darüber hinaus Vermögenswerte im Wert von vielen weiteren Billionen besitzen (und denken Sie daran, Sie bekommen 16 Exxons). Die 170.000 Tonnen Gold werden in ihrer Größe jedoch unverändert sein und immer noch nichts produzieren können.“

Diese Worte klingen wie eine Laudatio auf produktive Vermögenswerte, also jene Anlageformen, zu denen neben Beteiligungen an landwirtschaftlichen Betrieben und Immobilien auch solche an Unternehmen zählen. Letztgenannte sind es denn auch, die in den zurückliegenden Jahren mit Abstand am besten darin waren, das Eigenkapital in seiner Kaufkraft zu erhalten. So hätte sich allein der Marktwert der 16 Exxon Mobils in der Zwischenzeit um knapp 30% auf USD 8,3 Billionen erhöht. Dem hinzuzurechnen wären weitere USD 2,5 Billionen an erhaltenen Dividendenzahlungen. Zusammen hätte folglich nur diese Position genügt, um das ursprünglich eingesetzte Kapital von USD 9,6 Billionen um mehr als eine Billion US-Dollar zu übertreffen.5
Statt 16 Exxon Mobils zu erwerben, hätte eine alternative Möglichkeit darin bestanden, die Anteile der 16 größten US-amerikanischen Aktiengesellschaften zu Beginn des Jahres 2012 zu kaufen. Angefangen bei Exxon Mobil über Apple und Microsoft bis hin zu Walmart und Johnson and Johnson, wäre auf diese Weise ein bunter Strauß von einigen der weltweit bekanntesten USUnternehmen in den eigenen Besitz gelangt, womit man gleichzeitig dem vielfach geäußertem Wunsch nach hinreichender Diversifizierung Rechnung getragen hätte. Diese 16 Unternehmen hätten zu Beginn des Jahres 2012 zudem „lediglich“ USD 3,4 Billionen gekostet, weswegen man die genannten Unternehmen nicht nur in einfacher, sondern gleich doppelten Zahl (fiktiv) hätte erwerben können.

Mehr als zwölf Jahre später liegt der Börsenwert aller 16 Gesellschaften bei rund USD 13,6 Billionen was einem Portfoliowert von über USD 27 Billionen entspricht. Die jährlichen NachSteuer-Gewinne dieser 32 Portfoliounternehmen hätten sich zuletzt auf über eine Billion USDollar summiert, wovon jährlich über USD 270 Milliarden an Sie ausgeschüttet werden würden. Preisliche Rücksetzer von ein paar Billionen US-Dollar würden dann wohl kaum mehr ins Gewicht fallen.6 Zumal Sie die Tatsache, dass Sie daneben noch über das gesamte Ackerland der USA sowie Cash in Höhe von mehreren Billionen US-Dollar (stammend aus der ursprünglichen Billion sowie zwischenzeitlichen Dividendenzahlungen) verfügen würden, beruhigt schlafen lassen würde. So gesehen sollte es verständlich sein, warum Warren Buffett – und auch wir – glühende Verfechter der Kapitalanlage in Form produktiver Vermögenswerte sind.

Ähnlich den unproduktiven Sachwerten gibt es natürlich auch bei Produktivvermögen keine Garantie, dass sich die gute Entwicklung der letzten Jahre und Jahrzehnte in der Zukunft fortsetzen wird. Doch sprechen Aufbau und Funktionsweise unseres Wirtschaftssystems klar dafür und lassen erwarten, dass es die überlegenen Eigenschaften dieser Anlageform auch künftig ermöglichen werden, Kaufkraft auf eine vergleichsweise „einfache“ Art und Weise in die Zukunft zu verlagern. Zumindest gilt das für all jene, die den täglichen Preisschwankungen mit einer ähnlichen Ruhe und Gelassenheit begegnen können, wie das im Falle der — weit weniger gut planbaren und ungleich stärker im Preis schwankenden — Goldanlage seit jeher der Fall ist.

1 https://www.berkshirehathaway.com/letters/2011ltr.pdf
2 Quellen u. a. https://www.tagesgeldvergleich.net/statistiken/zinsentwicklung-tagesgeld-monatsvergleich.html, Bloomberg,
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/202273/umfrage/entwicklung-des-zinssatzes-fuer-tagesgeld-in-deutschland/; eigene Berechnungen
3 Quellen u. a. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/165718/umfrage/inflationsrate-in-den-usa/; https://www.kettner-edelmetalle.de/wissen/goldmenge-weltweit,
https://www.xetra-gold.com/gold-news/news/gold-recycling-hat-2023-um-9-prozent-zugelegt/, Bloomberg, eigene Berechnungen
4 https://www.berkshirehathaway.com/letters/2011ltr.pdf
5 Quelle: Bloomberg, eigene Berechnungen
6 https://money.cnn.com/magazines/fortune/fortune500/2011/performers/companies/biggest/; Bloomberg, eigene Berechnungen

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Ein Jahresauftakt wie er — zumindest an den Finanzmärkten — kaum schöner hätte sein können: Gegenüber dem US-Dollar konnte Gold um rund acht Prozent, Rohöl um 16% und der Bitcoin sogar um 66% aufwerten. Ebenfalls positiv verlief die Entwicklung an den meisten großen Aktienmärkten: Australien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Indien, Japan oder Taiwan, egal wohin man schaut, jeder dieser Märkte konnte im ersten Quartal neue Höchststände markieren bzw. sich den Alten bis auf einen Wimpernschlag annähern. “Natürlich“ gilt das auch für die USA, wo das Kursplus zwischen knapp sechs Prozent (DOW JONES) und elf Prozent (S&P 100) gelegen hat. Und sogar der deutsche Aktienmarkt, sonst eher als kranker Aktien-Mann Europas bekannt, konnte, bezogen auf den DAX, zweistellig zulegen. Ergänzt um Zinssätze, welche, angesichts nachlassender Inflationsraten, wieder genügen, um das Kapital real in seinem Wert zu erhalten, dürfte das erste Quartal sehr nach den Wünschen der meisten Investoren verlaufen sein.

Taucht man jedoch tiefer, ergibt sich ein differenzierteres Bild. Zwar ist an den vorstehenden Beobachtungen wenig auszusetzen und es trifft zu, dass zahlreiche Aktienindizes im ersten Quartal neue Höchststände markieren konnten. Doch ist das unverändert der Entwicklung einiger weniger hoch gewichteter Aktien geschuldet. Beispielhaft sei in diesem Zusammenhang auf die nachfolgende Tabelle verwiesen, welche die Zusammensetzung und Entwicklung von fünf mehr oder weniger bekannten Aktienindizes in Ausschnitten wiedergibt:1

Der OMX (Copenhagen) 25-Index, als dänisches Pendant zum deutschen DAX, enthält bspw. 25 Einzelaktien, angefangen bei A. P. Møller-Mærsk, über die Carlsberg Group bis hin zu Vestas Wind Systems. Mit 16,7% am höchsten gewichtet ist jedoch die Aktie der Novo Nordisk A/S, deren positive Entwicklung im Jahr 2024 (+27,2%) allein mehr als die Hälfte zur Indexentwicklung (+7,8%) beigetragen hat. Und auch langfristig war die Entwicklung der Novo Nordisk Aktie (+451,6% auf Sicht von fünf Jahren) von überragender Bedeutung für die Indexentwicklung (+88,7%).

Ähnliches gilt für die französische LVMH und Hermès, deren addierte Gewichtung im CAC 40 in etwa der von Novo Nordisk entspricht oder der taiwanesischen Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC), auf die fast ein Viertel des Gewichts des MSCI Taiwan entfällt. Sogar die USA bilden, ungeachtet ihres Status als weltweit größter Kapitalmarkt, hiervon keine Ausnahme. So entfällt mehr als ein Viertel des Indexgewichts (des S&P 100) auf die Aktien von nur drei Gesellschaften: Microsoft (10,4%), Apple (8,3%) und Nvidia (7,4%); auch braucht es lediglich die Hinzufügung sieben weiterer Gesellschaften, um die 50%-Gewichtungsmarke zu erreichen. Übertragen auf Deutschland und Frankreich, machen diese Top 10-Werte dann bereits 60% des gesamten Indexes aus, in Dänemark sind es sogar 80%.

Angesichts solcher Gewichtungshöhen stellt sich die Frage, wie verschieden die Entwicklung der „großen“ Aktienindizes ohne diese TOP-Werte in den zurückliegenden Jahren wohl gewesen wäre? Wo würde der dänische OMX 25 heute ohne die +450% von Novo Nordisk stehen, wo der deutsche DAX ohne die Aktien von SAP (+98%), Siemens (+136%) oder die Münchener Rück (+164%)? Welches Indexniveau hätte der französische CAC 40 heute ohne die Entwicklung von LVMH (+169%), Schneider Electric (+235%) oder Hermès (+309%) erreicht? Und wo stünde der S&P wohl heute ohne die 1.900% von Nvidia, die 550% von Eli Lilly oder die 270% von Microsoft?

Wer sich ernsthaft Antworten auf diese Fragen wünscht, sollte seinen Blick auf die zweite Reihe richten, deren Entwicklung sich vielfach deutlich von jener der ersten unterscheidet:2

So blieb bspw. die Entwicklung des einstiegen „Aushängeschilds“ MDAX, welcher die Entwicklung der Aktien der 50 größten deutschen Unternehmen widerspiegelt, die hinsichtlich Marktkapitalisierung und Orderbuchumsatz auf die 40 Unternehmen des DAX folgen, mit einem Minus von 0,4% spürbar hinter der diesjährigen DAX-Entwicklung (+10,4%) zurück. Gleiches gilt für die vergangenen drei (MDAX – 17,2% vs. +22,8% DAX) bzw. fünf Jahre (MDAX +5,9% vs. +58,8% DAX). Zwar bildet der MDAX das Schlusslicht in diesem Vergleich. Doch notiert sogar der US-amerikanische Russell 2000, welcher die Entwicklung der 2.000 kleinsten Gesellschaften aus dem Russell 3000 abbildet, mit Blick auf die vergangenen drei Jahre noch immer im Minus (vs. S&P 100 +42,3%). Auch entspricht seine diesjährige Entwicklung (+5,2%) weniger als der Hälfte des S&P 100 (+11,2%) — und gleiches gilt mit Blick auf die vergangenen fünf Jahre (Russell 2000 +45,9% vs. S&P 100 +112,8%).

Die positive Entwicklung zahlreicher Large Cap-Indizes ist somit weniger Kennzeichen einer marktbreiten Aktienmarktrallye, als vielmehr das Ergebnis der Entwicklung einiger weniger, zusehends in den jeweiligen Indizes höhergewichteten Einzelwerte.

Oberflächlich betrachtet verlief der Jahresauftakt an den globalen Finanz- und insbesondere Aktienmärkten durch die Bank weg erfreulich. An vielen Orten der Welt konnten Leitindizes neue Höchststände erreichen oder sich den alten bis auf wenige Punkte annähern. Doch dieses scheinbare Indiz für einen marktbreiten Aufschwung trügt angesichts der Entwicklung einiger weniger, hoch kapitalisierter Gesellschaften, die ihren guten Lauf aus den Vorjahren vielfach haben fortsetzen und so wesentlich zu den (medial berichtet positiven) Indexentwicklungen beitragen können. Kürzt man die namhaften Indizes um diese wenigen Performancetreiber, so bleibt oftmals weniger als die Hälfte der (dann nicht mehr so) „herausragenden“ Performance übrig.

Sich dieser Tatsache bewusst zu werden, scheint uns insbesondere für „passive“ Investoren von Bedeutung. Denn es ist naiv zu glauben, dass dieselben Aktien, die in den zurückliegenden fünf bis zehn Jahren die Entwicklung der großen Aktienindizes wesentlich vorangetrieben haben, dies auch künftig in gleicher Weise tun werden. So mag ein Zuwachs von weiteren 1.900% der NvidiaAktie für die kommenden fünf Jahre aus Sicht von manchem Anleger wünschenswert sein oder gar realistisch erscheinen. Allerdings wäre diese eine Aktie dann am Ende mehr wert als die übrigen 499 Aktien aus dem S&P 500 zusammengenommen, was theoretisch denkbar ist, uns jedoch zweifeln lässt.

Doch wenn vergangene Zugpferde künftig (weit) weniger positiven Einfluss auf die Indexentwicklung nehmen werden, bleibt dem passiven Investor nicht viel mehr als zu hoffen, dass das schrittweise „Erlahmen“ der alten Zugpferde Hand in Hand geht mit einer gesteigerten Nachfrage nach den Aktien anderer Unternehmen. Diese muss zudem stark genug sein, um den Popularitätsrückgang der „alten“ Schwergewichte aufzufangen und aus der aktuellen „Hausse der Wenigen“ einen „Aufschwung der Vielen“ werden zu lassen. Sollte dies nicht oder nur mit zeitlichem Versatz gelingen, so scheinen die Märkte ausgereizt und Vorsicht geboten.

Für den aktiven Investor hingegen stellt sich die derzeitige Situation weder als ungewöhnlich noch besorgniserregend dar. Denn schließlich werden die Gelegenheiten der guten Kapitalanlage nicht dadurch weniger, dass sich die Preise einiger weniger Aktien exponentiell verändern. Ganz im Gegenteil steigt ihre Anzahl oftmals dadurch, dass das Kapital, welches seinen Weg in die „Modeaktien“ hineinfindet, vorher aus anderen Quellen abgezogen werden musste und so bestehende Ungleichgewichte verstärkt werden. Diese zu finden und zum Vorteil der uns langfristig vertrauenden Anleger zu nutzen, war schon immer unser Bestreben…und ist der Grund unserer andauernden Zuversicht.

1 Quelle: Bloomberg, eigene Berechnungen
2 Quelle: Bloomberg, eigene Berechnungen

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